Wir brauchen bessere Sprachförderung

Dr. Goran Miladinovic (li.) und Martin Henke fordern eine intensivere Sprachförderung für Geflüchtete
Handwerkskammer

Wir brauchen bessere Sprachförderung

Ausbildung von Geflüchteten ohne Kenntnis der Fachsprache wird für Berufsschule und Betriebe zum größer werdenden Problem. 

Der Berufsbildungsausschuss der Handwerkskammer Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim hat auf seiner letzten Sitzung allen Ausbildungsbetrieben dringend empfohlen, sich vor dem Abschluss eines Ausbildungsvertrags mit einem Flüchtling über dessen Sprachniveau zu informieren. Es sollte auf der Niveaustufe B2 gemäß Europäischen Referenzrahmen für Sprachen liegen.

Der Experte der Handwerkskammer im Bereich Analyse und Gestaltung von Migrationsprozessen, Dr. Goran Miladinovic, warnte im Ausschuss vor einer zunehmenden negativen Entwicklung „Mit Sorge nehmen wir zur Kenntnis, dass mitunter zwischen Ausbildungsbetrieben und interessierten Geflüchteten Ausbildungsverträge abgeschlossen werden, ohne die zu erwartenden schulischen Probleme hinreichend zu berücksichtigen. Vor allem die schriftliche Ausdrucksfähigkeit und Fachausdrücke bereiten vielen Geflüchteten große Schwierigkeiten. Hinzu kommen bei einer Vielzahl von Geflüchteten noch erhebliche Defizite in den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern.“ Seinen Ausführungen zufolge wird aufgrund dessen eine hohe Zahl von Ausbildungsverträgen nicht zum Abschluss einer Berufsausbildung führen, weil das Niveau der Fachsprache in Schule und Betrieb wenig ausgebildet bzw. schlicht nicht vorhanden ist. Auch Martin Henke, Leiter der BBS Brinkstraße in Osnabrück, bestätigt diese negative Entwicklung: „Fast alle Auszubildenden mit Flüchtlingshintergrund können am Unterricht nicht in dem Maße teilnehmen wie gewünscht, da sie aufgrund enormer sprachlicher Defizite die Unterrichtsinhalte nicht verstehen können.“ Folge: Die Schüler schalten ab, langweilen sich und werden immer frustrierter.

Im Betrieb stellt sich die Situation dagegen nicht ganz so dramatisch dar. Henke: „Hier übernehmen die Meister*innen, Betriebsinhaber* innen oder Gesellen*innen oftmals eine ‚eins zu eins‘ Betreuung, was zu einer positiven Entwicklung führen kann, aber das können die Berufsschullehrer in einer Klasse mit bis zu 30 Auszubildenden einfach nicht leisten.“ Es entstehe in der jeweiligen Klasse keine homogene Lerngruppe, was die Pädagogen vor oft unlösbare Aufgaben stelle, da sie einen klaren, strukturierten Bildungsauftrag haben, der diese Entwicklung nicht berücksichtigt. „Das Problem ist der Politik überhaupt nicht bewusst, weshalb wir hier dringenden Handlungsbedarf anmelden müssen, auch im Sinne der betroffenen Auszubildenden“, fordert der Schulleiter, der zudem feststellt, dass viele der betroffenen Schülerinnen und Schüler schon in ihrem Heimatland äußerst mangelhafte schulische Grundkenntnisse vermittelt bekommen hätten – wenn überhaupt.

„Sprache ist die wesentliche Voraussetzung für Integration, indem sie den Menschen ermöglicht, sozial, kulturell und auch ökonomisch Teil der Gemeinschaft zu sein“, stellt Miladinovic fest. Die Realität definiert seiner Ansicht andere Regeln. „Wer einen Ausbildungsvertrag in der Tasche hat, ist erstmal vor einer Abschiebung geschützt, egal, ob ich die deutsche Sprache hinlänglich beherrsche.“ Für den Migrationsexperten der Handwerkskammer eine fatale Einschätzung: „Es zeigt sich, dass ein zu früher Ausbildungsbeginn dazu führt, dass Geflüchtete mit fehlender Sprachkompetenz scheitern werden.“ Henke hat demnach auch eine ganz bestimmte Forderung an die Politik: „Analog zu den Inklusionsklassen brauchen wir zusätzliches speziell ausgebildetes Personal, das die Lerntätigkeit unserer Pädagogen sinnvoll flankiert und damit die jungen Leute auch auf die betrieblichen Erfordernisse bezüglich der Fachsprache vorbereitet werden.“