Frühjahrs-Konjunktur Erholung im Handwerk gestoppt

Aktuelle Lage noch gut - Erwartungen schlechter. Personalmangel, Materialknappheit und Energiepreisexplosion lassen zukünftige negative Geschäftsentwicklung befürchten.

Grafik Geschäftsklimaindex
Handwerkskammer

Die relativ guten Daten aus dem letzten Herbst fallen im Frühjahr steil ab. Die über 11.000 Handwerksbetriebe der Region Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim haben zwar aktuell noch volle Auftragsbücher, doch die nächsten Monate werden mit großer Skepsis eingeschätzt. 

„Die Auswirkungen von Krieg und Wirtschaftssanktionen erreichen auch unsere Region. Vor dem Hintergrund weiter steigender Einkaufspreise und zunehmender Lieferengpässe in den letzten Wochen senken viele Betriebsinhaberinnen und Betriebsinhaber ihre Erwartungen an die zukünftige Geschäftsentwicklung“, bilanziert Sven Ruschhaupt, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer die aktuellen Zahlen. Öffentliche, gewerbliche und private Kunden des regionalen Handwerks müssen sich seiner Analyse zufolge aufgrund der stetig steigenden Preise in den nächsten Monaten darauf einstellen, dass Angebote und Verträge in zentralen Positionen wie z.B. Material oder Kraftstoffpauschale preislich flexibel gestaltet werden. Tagespreis statt Festpreis wird zukünftig eine größere Rolle spielen müssen. Energieunabhängigkeit durch den Ausbau von Erneuerbaren Energien geht nur mit einem starken Handwerk vor Ort. Ruschhaupt: „Deshalb bedarf es jetzt einer großen gesellschaftspolitischen Anstrengung, um dem Fachkräftemangel im Handwerk zu begegnen.“

Hier spielt bei der Befragung auch die Beschäftigung von ukrainischen Flüchtlingen für die Betriebe eine große Rolle und stellt zugleich eine Chance dar. So geben 55% der befragten Betriebe an, Geflüchteten aus der Ukraine einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz anbieten zu wollen. Ein Viertel der befragten Betriebe ist noch unentschlossen. Nach wie vor ist die Zahl an offenen Stellen im regionalen Handwerk hoch. So gibt fast jeder zweite Betrieb an (48%), über offene Stellen zu verfügen. Gesucht werden dabei vor allem gewerblich-technische Mitarbeitende und Auszubildende.

Ein Großteil der befragten Betriebe gibt an, durch die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine und durch die Sanktionen mittelbar betroffen zu sein. „Ob die Verkaufspreise mit den steigenden Einkaufspreisen Schritt halten können, ist fraglich und eine aktuell stagnierende Umsatzentwicklung ist in diesem Zusammenhang bedenklich“, stellt Ruschhaupt weiter fest. Für nahezu alle der befragten Betriebe sind politische Maßnahmen in Bezug auf die steigenden Energiepreise dringend erforderlich. Dabei werden als die zwei wichtigsten politischen Maßnahmen die Senkung der Energiesteuern sowie der Ausbau und die Förderung der Erneuerbaren Energien benannt.

„Wir müssen unsere Betriebe jetzt in dieser schwierigen Lage mit allen Kräften unterstützen“, so Reiner Möhle, Präsident der Handwerkskammer. Gemeinsam mit seinen Kollegen der anderen fünf niedersächsischen Handwerkskammern wurde in Zusammenarbeit mit den handwerklichen Verbänden ein Positionspapier erarbeitet, das die Erwartungen des Handwerks beim Umbau der Energieversorgung formuliert. Hier kommt es im Rahmen der EEG-Umlage zu einer überproportionalen Belastung vom handwerklichen Mittelstand. Möhle: „Bei allem Verständnis für die Notwendigkeit, Industriebetriebe im internationalen Wettbewerb zu unterstützen, darf daraus keine Belastung des kleinbetrieblichen Sektors erfolgen.“ Das Land müsse sich dafür stark machen, die umlagefinanzierte Förderung des Ökostroms durch eine steuerfinanzierte Regelung zu ersetzen. Darüber hinaus müssen weitere notwendige Reduzierungen der bürokratischen Belastungen für Betreiber und Nutzer erfolgen, die zu einer deutlichen Steigerung für die Errichtung von Windkraftanlagen und PV-Anlagen führen könnten.

Mit der vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten „Mittelstandsinitiative Energiewende und Klimaschutz“ hat das Handwerk bewiesen, dass Energieeffizienzmaßnahmen erfolgreich in Betrieben umgesetzt werden können. Die aktuell vom Bund in Aussicht gestellten Mittel für die energetische Gebäudesanierung werden nach Ansicht des Handwerks nicht ausreichen, um die notwendige Sanierungsdynamik herbeizuführen. Aktuell sind die Kosten und der Aufwand für Eigentümer*innen oftmals zu hoch, um die notwendige Marktdynamik zu entfalten. „Das Land ist aufgefordert, die Kredit- und Zuschussprogramme des Bundes sowie die steuerliche Förderung energetischer Sanierungsmaßnahmen gezielt zu ergänzen und verlässlich eigene Anreize z.B. in Form einer Zuschussförderung für die Durchführung energetischer Maßnahmen an Wohngebäuden umzusetzen“, so der Präsident. Bei der niedersächsischen Wasserstoffstrategie gilt es, die wichtige Rolle des Handwerks als Partner der Industrie (Markterschließung, Installation, Wartung und Reparatur) und der Energiewende zu betonen. Möhle: „Durch die Bündelung all dieser sinnvollen Maßnahmen erreichen wir eine deutlich größere Unabhängigkeit von immer teurer werdenden fossilen Energieträgern und damit einhergehend eine umfangreiche Kostenentlastung für unsere Handwerksbetriebe.“